Samstag, 22. Februar 2014

Schweinetage: Darf er das?


Heute Schockstarre. Duschen, wieder duschen und trinken. Gedanken irren umher. Ich hatte gestern einen Schweinetag von Jobbenswegen. Schweinetag ist, wenn du weißt, dass Schweine besser sind als Menschen.

Ich habe eine junge Frau zur Polizei begleitet, wo sie im Detail aussagte, wie Mann sie vergewaltigt haben soll.
Es ist so irreal, wenn ich jetzt daran denke; ich suche nach Worten, um die Fragen der Polizisten zu übersetzen und warte, während sie ihre winzigen Hände vors Gesicht geschgen, ihrerseits nach Worten sucht, findet und Dinge sagt, die ihre Machtlosigkeit belegen. Es gibt da einen Menschen, der tun konnte, was er wollte und danach lachend im dunklen Zimmer stand.- Natürlich alles nur, wenn seine Schuld bewiesen ist. Ich war nicht dabei. Wahrheit ist kompliziert.
Ich will wieder duschen, trinken und vergessen.

Sie hat Angst, alleine in das Zivilfahrzeug zu steigen, mit der die Polizei uns ins Krankenhaus fährt - und dann wieder zurück auf die Wache. Sie schleißt ihre Wagentür erst, als ich neben ihr sitze.
Eine Stunde warte ich mit zwei Polizisten im Krankenhausflur vor einer großen gelben Tür, hinter der ruhige Ärztinnen detailliert eine Körperuntersuchung durchführen, eine Menge Papierkram erledigten und Aufnahmen machten. Klare Prozesse, Beweissicherung.
Während wir da saßen wurde in Raum nebenan ein Baby geboren. Im angrenzeden Warteraum tratschte ein türkisch aussehender Mann mit einem hessischen Akzent und einem eingedellten Kopf - der Bus hätte da nicht parken dürfen, .... der Schorf ist schon abgefallen -  laut mit Patienten und wiegte einen Enkel auf den Schoß. Ich habe eine tickende Uhr vermisst.
Die Polizisten sprachen leise miteinander über Betriebsfeiern und WhatsApp‎, doofe Kollegen und wie man sich das Rauchen abgewöhnt.  Ich starrte auf den Boden, Linoleum, beige, schwarze Punkte in unterschiedlicher Größe. Um die Tausend auf den Quadratmeter.
Die Polizisten bringen einen schwarzen Koffer mit, der eine Beweiskamera enthält, um damit die Verletzungen zu dokumentiert und nach der Untersuchung nehmen sie auch das Vergewaltigungsset mit, eine hübsche hellblaue Einkaufstüte, in der Blutproben und Abstriche und viele andre Dringe drin sind. Der Polizist, der uns Mädels voran zum Auto eilt, sieht aus, als käme er vom schoppen.

Vorher in meinem Büro. Sonne und Kaffee in der Luft. Braune verweinte Augen, die von mir eine Antwort erwarten. Ob er das Recht hatte, das zu tun. Ob sie es selbst verschuldet habe mit ihrem Verhalten.  Reicht eine Entschuldung aus, damit sie damit leben kann? Werde alle auf sie mit dem Finger zeigen, wenn sie zur Polizei geht? Sie feilscht mit sich um ihren Wert.
Ich sehe ihr zu. Ich schenke Kaffee nach.
Ob das deutsche Recht es als Unrecht ansieht? Ich sage ja, und habe Angst, dass ich falsch liege, dass mein Rechtsempfinden mal wieder zu viel erwartet. Nein ist nein? oder?

Ja - nein ist nein, das bestätigen mir und ihr die Polizisten in ihrem hellen freundlichen Büro. Haribo Tüte auf dem Tisch, hellblaue Wassernäpfe für die Polizeihunde in der Ecke.
Im Ruheraum läuft leise die Übertragung von Olympia. Flauschige Decken liegen für die Nachtschicht bereit. Freitag- auf Samstagnacht.
Später. Die Polizistin, die uns mit ihrem Partner zum Wohnort der jungen Frau begleitet, ist bewaffnet, ruhig, wirkt sehr stark. Während das Mädel ihre Sachen packt, reden wir im Flur. Mieser Job, den wir da haben. Sie habe es schon oft bereut, ihn ergriffen zu haben. Hätte sie doch was anständiges gelernt. Immer sind sie die Bösen, immer gegen alle und dann auch noch so Abende
Ich denke an mich selber und den sozialen Nährwert von Linguisten. Ich muss lachen. Ich bin wieder bei mir, nicht im Helferkompex. Ärzte, Müllmänner und Polizisten - die Richtigen,  so wie sie, nicht die Typen, die bei den Demos gegen das Volk eingesetzt werden - die haben was Anständiges gelernt, sag ich. Sie brauche nicht zu zweifeln. Jetzt lacht sie auch.
Draußen ist es sternklar und kalt. Das Mädchen zieht ihren Koffer hinter sich her, sieht zum Himmel hoch. "Stars, beautiful isn't it"?" "Oh jeah." Ich lege den Kopf in den Nacken, starre auf den kleinen Wagen und verzichte darauf, ihr die Sternkonstellation zu erklären.

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