Freitag, 24. Oktober 2014

Das Entgegenkommen

 8: 13 Ich fahre heute kein Stück mehr. 
Habe es nach zwanzig Minuten zittrig zurück ins Haus geschafft. Heute gehe ich nur noch. Langsam.
Ich sitze in eine Decke gewickelt, der Kaffee von vorhin, lauwarm auf dem Schoss. Das Rudel schläft noch. Wärst Du aufgewacht?
Wo wäre ich jetzt, wenn nicht Vollbremsung, nicht das Auto ins Gras geworfen?-Wo anders. 
Es war knapp. Heute Zentimeter. Das hatte ich schon mal. Letzes Jahr. Sollte man nicht abstumpfen? Sich doch dran gewöhnen?
Die Einschläge werden dichter. 

Vor dem Fahren bitte ich die zuständige Entität fast immer "Ich will nicht töten, nicht getötet werden!" Banal und essenziell - ich bin Vielfahrer. Das hatte ich eine Minute vorher getan.
60 Sekunden.
In einer davon beschließt der andere, dass der Benzin-Laster unerträglich ist, dass er überholt werden muss, komme, Was wolle. Wer wolle.

Das Auto stand. Notblinker schalten sich schienbar automatisch an. Dann habe ich geschrien. Den Schrei der in Anaheim den Indie Ride durchhalte, so dass die Fahrgäste beim Ausstiegen nach der Verursacherhin Ausschau hielten. Mich verdächtigt keiner. Der Schrei kommt irgendwie nicht aus dem Brustkorb.

Das andere Auto ist weg. Er oder sie kann weiter ein Arschloch sein.
Ich heule wieder, und weiter und ...... mir tun die Augen weh.
Der Mann hinter ihm ist zurückgekommen. Er hätte nicht bremsen können, das hab ich noch gesehen. Er klopft vorsichtig an meine Scheibe, wartet, bis ich mich gefasst habe. Er sieht aus, als hätte das Gesicht zwischen den dunklen Locken kein Alter. Ich bin im Schock. Soll er jemanden holen? Kann er helfen? Wirklich besorgt. Er duzt mich.
Ich entschuldige mich, dass ich hier so ein Drama mache. Ich schäme mich vor mir und vor ihm. Ist ja nichts passiert. Ist das eine richtige Art, zu fühlen? Weiss nicht.

Ich bedanke mich artig bei dem Mann und sichere ihm zu, dass ich jetzt mein Leben wieder zu schätzen weiß und mich das Adrenalin sicher ans Ziel bringt.
Einen Ort weiter drehe ich um und fahre Heim. Ins Bett. Sollte nachher nach dem Auto sehen.

Montag, 13. Oktober 2014

Media Monday #172

Unwiderstehlich dieser Media Monday 172 heute- da will man nichts mehr tun aber die Fragen gehen nicht mehr aus dem Kopf.

1. Einer der genialsten Kriminalfälle ist "Jack the Ripper". Ungelöst, geheimnisumwittert, reich an Verdächtigen bis hinauf ins Königshaus und bestimmt haben die Freimaurer ihre Finger drin. Kein Krimi lässt sich so stimmungsvoll verfilmen und jede Interpretation ist zulässig bis hin zum Übernatürlichen. Und jedes dritte Jahr wird aus einem der Verdächtigen der neue Mörder bis......

2. Der Dracula Charakter hatte wirklich ein bahnbrechendes Kostüm/Make-up in Coppolas Dracula von 1992, denn der Charakter wurde in jeder seiner Inkarnationen unterscheidbar aber stimmig umgesetzt. Das beste Kostümdesign, das ich bislang gesehen habe, das den Schauspieler komplementiert, als eigenständige Kunstform stehen bleibt und das Gesamtkunstwerk wie ein roter Faden (Pun intended) durchzieht

3. Coma (1978) hat die Bezeichnung Horrorfilm wirklich verdient, denn die Bilder verfolgen mich seit Kindertagen, so wie die Angst vor Narkosen, aus denen man nicht mehr aufwacht und als Ersatzteillager endet. Der Film thematisiert eine moderne Ur-Angst, die im Gegensatz zu vielen Phobien begründet ist.

4. Wohingegen Formicula aus dem Jahr 1954 aus ganz anderen Gründen zum Fürchten war, - weil der Film die gute alte Angst vor Kriechzeug in eine Farce verwandelt. Man muss wohl Japaner sein, um Übergrößen dieser Art zu schätzen.

5. Auf Star Wars: Episode VII bin ich schon wahnsinnig gespannt, denn nur so Riesendinger wecken die Film-Nostalgie wie das Warten auf den Weihnachtsmann. Es gibt wieder Wollsocken, klar, aber diesmal sind sie blau mir roten Bommeln. Ach!

6. Jede beliebige Telenovela ist eine dieser typischen Serien, (die) deren Titel und Handlung mir beim besten Willen nicht einfallen aber immer gleich enden und für die das Bügeln erfunden worden ist.

7. Zuletzt gesehen habe ich "The Ziff Who Came to Dinner" 14. Epis.von The Simpsons' fifteenth season, und das war einfach gut, weil spannend, was zum Lachen und eine Überraschung: ein egomaner Hersteller von heißer Luft wandelt sich durch die Liebe von einer Marge-Schwester - grusel (hm, da sind wir wieder bei den Horrorfilmen) - zum Besseren.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Einfach nur Geschichte


Es ist ein Wunder der Möbelfindung, ein historisches Dokument, dass einer großen Flamme entkommen ist und …. er ist mein. Geschenkt, einfach so, weil ich ihn zu schätzen wusste, den alten Kerl, weil er mehr wert war als nur ein Stuhl. Ich bin so seltsam berührt von diesen Stück deutscher Geschichte, nun eingepfercht in meinem Kleinwagen.
Die Dame, die mit mir auf den Speicher geklettert ist, ist selbst ungewöhnlich. Klein, immer lachend und zum Tratschen aufgelegt, Schlüssel verlierend und stets zu spät, mit einer unfassbaren Angst vor Hunden. Aber das mit Grund, ich hab die Bisswunden gesehen! Eine Dame in ihren Siebzigern, welterfahren, weitgereist und spießig geblieben – und charmant.
Oben, tanzender Staub, hinter zerlegten Betten, alten Wappen verzogener Untermieter und Mäusemumien steht etwas Interessantes:  Ein Stuhl aus dem Berliner Reichstag. In der Nacht des Reichstagsbrands vom Berliner Polizisten  W. rausgeholt, „mit anderen Dingen, weil, er hatte einen Wagen und konnte direkt vorfahren. Das war halt so. Als das Gebäude brannte, hat jeder geholt, was er tragen konnte.“
„Seither ist er im Besitz unserer Familie und steht auf Speichern rum. Erst Berlin, dann ist er mir hierher gefolgt."  Die Tochter der Wachtmeisters lächelt verschmitzt, hebt das Bettlaken und darunter steht er, etwas kürzere Beinchen, „wie das damals so war“, gerade Lehne, unmäßig bequem. Er hat einen Inventarstempel, aber das muss ich noch nachforschen.
Sie erzählt von ihren Dienstjahren im Deutschen Konsulat in Persien, vom Schahr, vom Umsturz und der Flucht der Diplomaten. Sie redet von den weiten  Häusern und lautlosen Dienern, die über großartige Teppiche huschen, von den Menschen im Mittleren Osten, den verschieden Mentalitäten;clever und charmant die Iraner, geschäftstüchtig die Syrer. Mein Blick schweift immer wieder zu dem Gemälde der Moschee von Isfahan. Es hängt vergessen im fast leeren Haus. Ich sehe sie zum ersten Mal bewusst, bekomme Fernweh nach den himmelblauen Mosaiken, dem Staub der Basare und den unzähligen Gerüchen. Ich bin doch sonst nicht so…
Ich weiß viel mehr, aber es gehört ihr. Männergeschichten, von Männern die Geschichte schrieben und Traurigkeit, weil eininge es nicht konnten.
 „Ach, die Munitionskisten, die sind noch von meinem verstobenen ersten Mann, aus der Zeit als wir den Iranern noch Waffen geliefert haben. Die Dinger sind mit unseren Sachen aus Teheran gekommen. Jetzt stehen sie hier rum. Morgen kommt der Sperrmüll ...“ Erst will ich eine, dann - sie trennen, ach, sie haben so viel zusammen erlebt.
Ich kann nicht anders, als ihnen ein zu Hause zu geben. Nicht, weil sie Munitionskisten sind, sie sind hübsch auf ihre Weise, und riesig, aber weitgereist und aus Holz und wie mein großer Schrankkoffer von 1920 einfach Geschichte.
Einfach nur Geschichte.