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Sonntag, 8. Februar 2015

MediaMarkt - ich fühl mich blöd

Ich war mal wieder in der realen Welt, abseits meiner Elfenbeintürme von Heim und Job, in einem blinkenden und brodelnden Konsumtempel,wo man face to face Geld gegen Dinge tauscht, die man selten braucht - eher möchte.
Meine Freundin hat beschlossen, dass ich mir mein Geschenk selber aussuchen darf. Ich brauche eine Digicam- also führt der Weg in den örtlichen MediaMarkt.

Am Eingang: Security Menschen, mit Bäuchen, die Uniformen ausbeulen. Ist Drüberwalzen mittlerweile ein anerkanntes Kampfmanöver? Im Inneren: Junge, weibliche Menschen in Messebekleidung strecken mir Zettel entgegen. Höflich, weil ich sie ihrer Funktion nicht berauben möchte, nehme ich Zettel an und gebe sie direkt an die nächste Zettelhandreich-Person weiter, während ich deren Zettel entgegennehme. Lustig, die nehmen sie mir immer ab und besiegeln das "Geschäft" mit einem Lächeln.

Freundin sieht mich immer länger schief an. Ich mach mir Sorgen, dass ich Konsum nicht richtig mache.

Reihe um Reihe überspannter Krempel. Bügeln? Staubsaugen? Simple Haushaltstätigkeiten? Nein. Scheinbar führt der perfekte Kauf zur Selbstfindung, ansonsten kann ich mir die Menge des Fast-Gleichen nicht erklären. Wir münden in die Allee der "Kaffeekapselautomaten". Ein so'n Ding ist schon ein Verbrechen an unseren Nachfahren - aber gefühlte Hundert? Das ist böse. Die kapselverführte Freundin nennt so ein Biest ihr Eigen. Dabei ist sie früher gegen alles unökologische auf die Straße gezogen, während ich mir wie ein moralisches Mauerblümchen vorkam. Verrückte Welt, das.

Mehr Krempel: XYZ Boxen, Handy Krimskrams und "Ich-habe-biologische-Funktionen" Dummtech gemischt mit Lärm und Blinkblink. Und meterweise Bildschirme an den Wänden - nee halt, das sind Fernseher. So viele? Wer kauft das? Und wozu? Eine Via Appia der Zeitvernichtung.

Nieder mit der GEZ!!! flüstert mein Hirn. Offener Widerstand ist zwecklos. Meistens bekomme ich von anständigen Konsumenten für mein glotzenloses Elendsdasein den mitleidigen Blick, der sonst für bildstark hungernde "uns-gehts-doch-gut" Kinder reserviert ist. Und dann kommen die Fragen... gehaucht, als hätte ich Krebs.

Bin einem epileptischen Anfall nah, als wir endlich die Kameras erreichen.
Aussuchen geht gut, rosa Kamera vermieden, jetzt darf ich nur noch dem überdrehten männlichen Menschen am Service Pult meine Daten geben für irgendeine sonder-lange Garantie. (Ich brauch die. Ich lass alles fallen). Er tippt, schaut auf vom Monitor: "Da haben wir Sie ja! Stimmen Straße und Hausnummer noch?" Fröhlich beginnt er allen Umstehenden die Adresse einer wildfremden Frau mit meinem Allerweltsnamen vorzulesen. Liest vor, blickt mich stolz an... weil er lesen oder die Suche betätigen kann? "Nein, das bin ich nicht." Er weicht unwillkürlich von der Konsole zurück, als er meine hochgezogene Augenbraue sieht.

Still wird um uns, er wird richtig rot. Kollegen und Kunden nehmen ihn wahr. Er windet sich. Ich lasse mir Zeit, lächele höflich -  winde mich aber auch. Alles hinwerfen? Freundin verärgern? Noch so einen Rummel -Trip - und ich hab mich definitiv in die kleine Kamera verguckt.

Ok, ich kann "charmant" und packe das aus. "Wenn ich Ihnen jetzt meine Adresse gebe, werden Sie damit auch so verfahren?"   "So" kann wie "dumm" klingen. Natürlich könne ich dem Herren getrost vertrauen. Klaaaar.

Konsum 1- ich 0. Morgen, morgen packe ich meine Grundsätze wieder aus. Aber die Kamera mag ich, die geb ich nicht mehr her. Freundin freut sich. Die Straße und Hausnummer der anderen Frau habe ich mir seltsamerweise gemerkt.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Einfach nur Geschichte


Es ist ein Wunder der Möbelfindung, ein historisches Dokument, dass einer großen Flamme entkommen ist und …. er ist mein. Geschenkt, einfach so, weil ich ihn zu schätzen wusste, den alten Kerl, weil er mehr wert war als nur ein Stuhl. Ich bin so seltsam berührt von diesen Stück deutscher Geschichte, nun eingepfercht in meinem Kleinwagen.
Die Dame, die mit mir auf den Speicher geklettert ist, ist selbst ungewöhnlich. Klein, immer lachend und zum Tratschen aufgelegt, Schlüssel verlierend und stets zu spät, mit einer unfassbaren Angst vor Hunden. Aber das mit Grund, ich hab die Bisswunden gesehen! Eine Dame in ihren Siebzigern, welterfahren, weitgereist und spießig geblieben – und charmant.
Oben, tanzender Staub, hinter zerlegten Betten, alten Wappen verzogener Untermieter und Mäusemumien steht etwas Interessantes:  Ein Stuhl aus dem Berliner Reichstag. In der Nacht des Reichstagsbrands vom Berliner Polizisten  W. rausgeholt, „mit anderen Dingen, weil, er hatte einen Wagen und konnte direkt vorfahren. Das war halt so. Als das Gebäude brannte, hat jeder geholt, was er tragen konnte.“
„Seither ist er im Besitz unserer Familie und steht auf Speichern rum. Erst Berlin, dann ist er mir hierher gefolgt."  Die Tochter der Wachtmeisters lächelt verschmitzt, hebt das Bettlaken und darunter steht er, etwas kürzere Beinchen, „wie das damals so war“, gerade Lehne, unmäßig bequem. Er hat einen Inventarstempel, aber das muss ich noch nachforschen.
Sie erzählt von ihren Dienstjahren im Deutschen Konsulat in Persien, vom Schahr, vom Umsturz und der Flucht der Diplomaten. Sie redet von den weiten  Häusern und lautlosen Dienern, die über großartige Teppiche huschen, von den Menschen im Mittleren Osten, den verschieden Mentalitäten;clever und charmant die Iraner, geschäftstüchtig die Syrer. Mein Blick schweift immer wieder zu dem Gemälde der Moschee von Isfahan. Es hängt vergessen im fast leeren Haus. Ich sehe sie zum ersten Mal bewusst, bekomme Fernweh nach den himmelblauen Mosaiken, dem Staub der Basare und den unzähligen Gerüchen. Ich bin doch sonst nicht so…
Ich weiß viel mehr, aber es gehört ihr. Männergeschichten, von Männern die Geschichte schrieben und Traurigkeit, weil eininge es nicht konnten.
 „Ach, die Munitionskisten, die sind noch von meinem verstobenen ersten Mann, aus der Zeit als wir den Iranern noch Waffen geliefert haben. Die Dinger sind mit unseren Sachen aus Teheran gekommen. Jetzt stehen sie hier rum. Morgen kommt der Sperrmüll ...“ Erst will ich eine, dann - sie trennen, ach, sie haben so viel zusammen erlebt.
Ich kann nicht anders, als ihnen ein zu Hause zu geben. Nicht, weil sie Munitionskisten sind, sie sind hübsch auf ihre Weise, und riesig, aber weitgereist und aus Holz und wie mein großer Schrankkoffer von 1920 einfach Geschichte.
Einfach nur Geschichte.