Heute Schockstarre. Duschen, wieder duschen und
trinken. Gedanken irren umher. Ich hatte gestern einen Schweinetag von Jobbenswegen.
Schweinetag ist, wenn du weißt, dass Schweine besser sind als
Menschen.
Ich habe eine junge
Frau zur Polizei begleitet, wo sie im Detail aussagte, wie Mann
sie vergewaltigt haben soll.
Es ist so irreal, wenn ich jetzt daran denke; ich suche nach Worten, um die Fragen der Polizisten zu
übersetzen und warte, während sie ihre winzigen Hände vors
Gesicht geschgen, ihrerseits nach Worten sucht, findet und Dinge
sagt, die ihre Machtlosigkeit belegen. Es gibt da einen Menschen, der
tun konnte, was er wollte und danach lachend im dunklen Zimmer stand.- Natürlich alles nur, wenn seine Schuld bewiesen ist. Ich war nicht dabei. Wahrheit ist kompliziert.
Ich will wieder duschen, trinken und
vergessen.
Sie hat Angst, alleine in das Zivilfahrzeug
zu steigen, mit der die Polizei uns ins Krankenhaus fährt - und dann
wieder zurück auf die Wache. Sie schleißt ihre Wagentür erst, als ich neben ihr sitze.
Eine Stunde warte ich mit zwei
Polizisten im Krankenhausflur vor einer großen gelben Tür,
hinter der ruhige Ärztinnen detailliert eine Körperuntersuchung
durchführen, eine Menge Papierkram erledigten und Aufnahmen machten.
Klare Prozesse, Beweissicherung.
Während wir da saßen wurde in Raum
nebenan ein Baby geboren. Im angrenzeden Warteraum tratschte ein türkisch aussehender Mann mit
einem hessischen Akzent und einem eingedellten Kopf - der Bus hätte
da nicht parken dürfen, .... der Schorf ist schon abgefallen -
laut mit Patienten und wiegte einen Enkel auf den Schoß. Ich habe eine tickende Uhr vermisst.
Die Polizisten sprachen leise
miteinander über Betriebsfeiern und WhatsApp,
doofe Kollegen und wie man sich das Rauchen abgewöhnt. Ich
starrte auf den Boden, Linoleum, beige, schwarze Punkte in
unterschiedlicher Größe. Um die Tausend auf den Quadratmeter.
Die Polizisten bringen einen schwarzen
Koffer mit, der eine Beweiskamera enthält, um damit die Verletzungen
zu dokumentiert und nach der Untersuchung nehmen sie auch das
Vergewaltigungsset mit, eine hübsche hellblaue Einkaufstüte, in
der Blutproben und Abstriche und viele andre Dringe drin sind. Der
Polizist, der uns Mädels voran zum Auto eilt, sieht aus, als käme er
vom schoppen.
Vorher in meinem Büro. Sonne und
Kaffee in der Luft. Braune verweinte Augen, die von mir eine Antwort
erwarten. Ob er das Recht hatte, das zu tun. Ob sie es selbst
verschuldet habe mit ihrem Verhalten. Reicht eine Entschuldung aus, damit sie damit leben kann? Werde alle auf sie mit dem Finger zeigen, wenn sie zur Polizei geht? Sie feilscht mit sich um ihren
Wert.
Ich sehe ihr zu. Ich schenke Kaffee nach.
Ich sehe ihr zu. Ich schenke Kaffee nach.
Ob das deutsche Recht es als Unrecht
ansieht? Ich sage ja, und habe Angst, dass ich falsch liege, dass mein
Rechtsempfinden mal wieder zu viel erwartet. Nein ist nein? oder?
Ja - nein ist nein, das bestätigen
mir und ihr die Polizisten in ihrem hellen freundlichen Büro. Haribo
Tüte auf dem Tisch, hellblaue Wassernäpfe für die Polizeihunde in der Ecke.
Im Ruheraum läuft leise die
Übertragung von Olympia. Flauschige Decken liegen für die
Nachtschicht bereit. Freitag- auf Samstagnacht.
Später. Die Polizistin, die uns mit
ihrem Partner zum Wohnort der jungen Frau begleitet, ist bewaffnet,
ruhig, wirkt sehr stark. Während das Mädel ihre Sachen packt, reden
wir im Flur. Mieser Job, den wir da haben. Sie habe es schon oft
bereut, ihn ergriffen zu haben. Hätte sie doch was anständiges
gelernt. Immer sind sie die Bösen, immer gegen alle und dann auch noch so
Abende
Ich
denke an mich selber und den sozialen Nährwert von Linguisten. Ich muss
lachen. Ich bin wieder bei mir, nicht im Helferkompex. Ärzte, Müllmänner und Polizisten - die Richtigen,
so wie sie, nicht die Typen, die bei den Demos gegen das Volk
eingesetzt werden - die haben was Anständiges gelernt, sag
ich. Sie brauche nicht zu zweifeln. Jetzt lacht sie auch.
Draußen ist es sternklar und kalt. Das
Mädchen zieht ihren Koffer hinter sich her, sieht zum Himmel hoch. "Stars, beautiful isn't it"?"
"Oh jeah." Ich lege den Kopf in den Nacken, starre auf den
kleinen Wagen und verzichte darauf, ihr die Sternkonstellation zu erklären.
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